Na, alter Jammerlappen. Was macht heute Kummer? Heute!? Junger Freund, die Kleinkunst natürlich!
Schrulligkeit ist dem Sauerländer eigen, er ist deshalb zu wahrer Leidenschaft befähigt: in unserem Fall – THEATER!!
Seit DIE ZWEI in ihrer Kindheit den “FAUST” – aufgeführt von einer etwas herunter gekommenen, wandernden Puppenspieltruppe, die sich in das Dorf des Lichts verirrt hatte (vielleicht wollten die sich auch nur vor dem Gerichtsvollzieher verstecken)- erleben und erfahren hatten dürfen, brannten im (damals noch nicht) Bauern Spelsberg und dem (damals noch nicht) alten Hauke das Fieber und die lodernde Leidenschaft für THEATER.
Anfangs nur Figurentheater! Denn die heimatliche Scholle bot keine Schauspielbühne. Da standen nur Scheunen, Ställe, Silos, Kühe, Melkeimer, Gülletanks, Misthaufen, Berge und Fichten rum.
Samstagsabend konnte “Das Ohnsorgtheater” im Fernseher geglotzt werden (nach dem wöchentlichen Bad), doch weder Henry Vahl als “Der verkaufte Großvater”, noch die ewige Kodderschnauze Heidi Kabel kloppten die Jungs vom Hocker.
Endlich den mittelmäßigen Schulabschluss in der Tasche, pfiffen sie auf Heimat, Haus und Hof und schrieben sich am “Deutschen Institut für Puppenspiel” in Bochum ein, um sich zu Experten in Sachen Figurentheater ausbilden zu lassen.
Ihre Eltern pfiffen deshalb aus dem letzten Loch und Drohungen wie “ENTERBEN”, “Unsere Söhne sind keine Kasperle”, “Komm nie wieder in mein Haus gekrochen” gingen den zu früh Berufenen daran vorbei, wo keine Sonne hin scheint. Sollen die Köter doch kläffen – die Karawane zieht weiter!
Die Studiengebühren waren happig! Das Studium eisenhart: 6 Tage die Woche von morgens bis abends – Freizeit war fast kategorisch ausgeschlossen! Vier Semester lang!
Der Puppenspieler ist ein Allrounder: Autor, Bastler, Beleuchter, Bühnenbildner, Chemiker, Dramaturg, Entwickler, Farbenmischer, Genie, Hasardeur, idealistischer Intendant, jugendlich Jubelnder, kaspernder Kabarettist, Liebender, methodische Marionette, Naturtalent, opernhaft Opfernder, programmatischer Perfektionist, Quasselstrippe, die an Strippen zieht, Regisseur, sprachgewaltiger, schauspielender Schneider von Spezialeffekten, tönend töpfernder Tänzer, universelles Unikum, kassierender Verlierer, Wunderlicher, X wird U, Y geZeichnet… und nagt permanent am Hungertuch!
Diese prallen Lehrinhalte bedeuteten volles Programm, harte Maloche und die beiden jugendlichen Helden schlugen sich anfangs wacker und motiviert.
Spelsberg hatte bald Probleme mit der Sprech- und Stimmlehrerin. Er kriegte das “WOLL” und den kantigen Klang des Sauerlandplatt einfach nicht aus dem Kehlkopf. (die Lehrerin kam übrigens aus Kolumbien und hatte sie nicht alle im Kaffee) 😆
Hauke haderte mit dem Zeichenlehrer: “Eine Feder! Ich hab dir gesagt, du sollst eine Feder zeichnen! Das ist ein Stock!!” (mit dem Hauke ihn gerne geprügelt hätte)
Genial meisterten die Jungs die Bastelarbeiten mit Holz. Schreinern, Drechseln lag ihnen im Blut und so ein Marionettenkopf war schnell gemacht und bepinselt – doch dann – im zweiten Semester – kam es knüppeldicke: Kostümchen nähen!! Stoff zuschneiden und daraus dann Jacke wie Hose nähen. Das überforderte total!
Eine Stimmlehrerin, die jede Stunde mit: “Bester Kaffee kommt aus Kolumbien!” eröffnete und die kleine Schülerschar dann zwang, mit zwanzig Kaffeebohnen in den Backen lauthals: “Fischers Fritz fängt frische Fische. Frische Fische fängt Fischers Fritz.” zu brühen – ERTRÄGLICH! Alle sahen dabei aus wie Goldhamster, die ihre Vorratsspeicher spuckend vergolden wollten. (für jede dabei unbeabsichtigt ausgespiene Bohne gab es eine Extra-Frischfischrunde – das zog sich dann, denn der Kaffee aus Kolumbien wurde nicht kalt)
Ein blinder Zeichenlehrer, der, egal, was auf das Blatt gekritzelt war, immer nur Knüppel erkennen konnte oder wollte – ERTRÄGLICH!
Grenzwertig war der Tanzunterricht! (“Ihr müsst tanzen können! Nur so könnt ihr Puppen tanzen lassen!”).
Aber das Nähen von Kostümchen für die Marionetten ging einfach zu weit: “Das soll ein Sultan sein? Jede Vogelscheuche ist besser gekleidet! Das macht ihr nochmal!” dabei hatten sie sich bis spät in die Nacht solche Mühe gegeben.
“Hauke, ich halt das hier nicht mehr aus. Ich bin DOCH kein Puppenspieler und pleite bin ich auch! Ich züchte lieber Schweine, als mir die Pfoten mit dem Nähen von tuntigen Klamotten zu zerstechen!”
“DITO!! Da schreib ich lieber was in die Poesiealben von Mädchen! Ist auch eine brotlose Kunst. Lass uns Leine ziehen!”
Verlorene Söhne kehrten also zügig zurück ins Lichtdorf, wo sie sofort Blödsinn ausheckten. Ein neues Spiel, das schon bald fieberhaft grassierte: Kaffeebohnenweitspucken! Das hatten sie nämlich gelernt. Woll! Na und dann entflammte die Leidenschaft für die Bretter, die die Welt bedeuten – nur als Zuschauer natürlich. Versteht sich von selbst.
P.S. Das DIP hat leider 1991 die Pforten geschlossen und es gibt keine Institution mehr, die Figurentheater so gründlich und umfassend lehrt, wie damals das “Deutsche Institut für Puppenspiel” in Bochum. Puppenspieler ist ein sehr erfüllender Beruf und Figurentheater eine Kunstform die leider an den Rand gedrängt wurde. Kommt aber zurück! Darauf könnt ihr einen lassen!